Aber bei aller Freude - ich weiß ganz genau, so richtig ruhig und gelassen werde ich nach der ganzen Anspannung im Vorfeld wohl erst sein, wenn ich am Freitag in Bahrain wirklich im Auto sitze und fahre.
Natürlich wird es für uns nicht einfach werden. Ohne jeden Test an den Start zu gehen, bedeutet schlicht und einfach, dass Bahrain für uns ein Test unter Rennbedingungen sein wird. Dadurch, dass am Ende jetzt alles so schnell gehen musste, wird auch das Auto noch nicht ganz so sein, wie es eigentlich sein könnte, zum Beispiel fahren wir erstmal noch mit Metall- statt mit Kohlefaser-Aufhängungsteilen, insgesamt wird das Auto am Anfang etwa 20 Kilo schwerer sein, als es eigentlich müsste.
Aber wir müssen einfach einen Schritt nach dem anderen machen - und gemeinsam lernen, uns gemeinsam weiter entwickeln, zusammen mit meinem Teamkollegen Karun Chandhok, den ich aus unserer gemeinsamen Zeit bei iSport in der GP2 bestens kenne, mit dem ich mich sehr gut verstehe.
Was Colin Kolles bis jetzt geschafft hat, in der kurzen Zeit, seitdem er die Verantwortung für das Team übernommen hat, ist sowieso beeindruckend, denn die Lage war wirklich schwierig. Dass er es fertig gebracht hat, alles so anzuschieben, dass wir jetzt zumindest von Anfang an dabei sein können, ist schon fantastisch. Der Zeitplan sieht so aus, dass zum Beispiel erst gestern die ganze Verkabelung des Autos wirklich fertig gemacht werden konnte, heute soll es das erst Mal angelassen werden - und am Samstag gehen die Autos dann schon auf die Reise...
Auch wenn der Anfang schwer werden wird, sehr viel harte Arbeit vor uns liegt - ich bin mittelfristig zuversichtlich, dass wir unser ursprüngliches Ziel, bestes der neuen Teams zu werden, vielleicht sogar mal einen Punkt zu holen, erreichen können. Sicher muss man die Praxis erst mal abwarten, aber wir haben gute Leute, jetzt sind zum Beispiel noch Geoff Willis und Jacky Eeckelaert dazu gekommen, und was ich an Basisdaten über das Auto aus dem Windkanal und gewissen Simulationen bei Dallara gesehen habe, sieht gar nicht so schlecht aus.
Lotus und Virgin waren zum Beispiel in Barcelona nur eine gute Sekunde schneller als die GP2-Autos, von denen Dallara ja alle Daten hat. Und wir sollten nach deren Berechnungen auf Anhieb mindestens zwei Sekunden schneller sein als die GP2... Natürlich wird auch viel davon abhängen, ob das Auto von Anfang an einigermaßen standfest ist. Ich hoffe da erstens auf die Erfahrung der Dallara-Leute und zweitens haben wir vielleicht ein bisschen Glück und ein paar der Probleme, die den anderen Neulingen am Anfang so zu schaffen gemacht haben, vor allem im Hydraulikbereich, die nicht unbedingt teamspezifisch waren, sind inzwischen generell schon aussortiert.
Alles für das Team geben
Ich werde auf jeden Fall alles tun, um dem Team in jeder Beziehung zu helfen, auch finanziell. Das ist auch in meinem Interesse, wenn es dem Team besser geht - obwohl grundsätzlich in meinem Vertrag steht, dass ich kein Geld mitbringen muss. Wir haben jetzt ein paar weitere Kontakte zu potenziellen Sponsoren in Brasilien, jetzt, wo es etwas wirklich Solides gibt, wo sie wissen, in was sie investieren, ist es ein bisschen einfacher - und ich denke, dass da schon noch das ein oder andere werden kann...
Die Zeit der Unsicherheit war schon eine sehr schwierige. Wenn man zum zweiten Mal hintereinander in so eine Situation gerät, dass sich ohne eigene Schuld die Dinge plötzlich ändern, dass man wieder um seinen Platz zittern muss, nicht weiß, was passieren wird, dann belastet das natürlich schon. Und als Fahrer ist man nicht unbedingt der, der immer am besten informiert ist, ich habe selbst auch oft widersprüchliche Informationen gehabt, einen Tag so, am nächsten Tag dann wieder ganz anders.
Ich habe versucht, mich so weit wie möglich von allem zu isolieren, mit niemandem außer mit meiner Mutter, meiner Schwester und meinem Manager Chris Goodwin darüber zu reden, alles so weit wie möglich weg zu schieben, was ich eh nicht beeinflussen konnte und mich ganz auf mein Fitnesstraining zu konzentrieren. In Brasilien war das Wetter zum Glück sehr schön, ich konnte sehr viel machen, bin absolut topfit.
Umzug nach Monaco
Trotzdem wird es ein ziemlicher "Schock" für den Körper sein, wenn ich das erste Mal nach über einem halben Jahr wieder im Auto sitze. Zum Eingewöhnen, um zumindest die Reflexe wieder aufzuwecken, werde ich jetzt in der Zeit bis zum Abflug in Monaco noch ein paar Mal Kart fahren gehen, zusammen mit Stephane Ortelli, der letztes Jahr bei Oreca mein Teamkollege war.
Monaco ist mein neues Domizil - in den letzten zwei Wochen war ich ziemlich mit meinem Umzug beschäftigt. Alles gar nicht so einfach, mein neues Apartment dort ist ganz anders als das zuvor in London, da passt einiges an Möbeln überhaupt nicht, ich brauche auch noch einiges an neuen Sachen - ich denke, wenn meine Mutter das nächste Mal nach Europa kommt, wird sie einiges zu tun haben, mir da beim Organisieren und Einrichten zu helfen.
Man sollte es ja nicht glauben, es war gar nicht so einfach, in Monaco etwas wirklich Schönes und Passendes zu finden - aber wenn alles fertig ist, wird es sicher toll - und vor allem ist der Vorteil dort halt auch, dass das Wetter wesentlich besser ist als in London, was das Training einfacher macht. Aber jetzt werde ich dann - zum Glück - erstmal eine Weile sehr viel unterwegs sein. Ein bisschen Daumendrücken, dass alles einigermaßen klappt bei meinem Formel-1-Debüt könnte ich allerdings gebrauchen.
Euer Bruno Senna
"Trotzdem wird es ein ziemlicher Schock für den Körper sein, wenn ich das erste Mal nach über einem halben Jahr wieder im Auto sitze."Bruno Senna
"Was ich an Basisdaten über das Auto aus dem Windkanal und gewissen Simulationen bei Dallara gesehen habe, sieht gar nicht so schlecht aus."Bruno Senna